Die Sozialversicherungsträger bestätigen: Die Zahl der Krankmeldungen aufgrund psychischer Probleme ist in Deutschland weiterhin steigend. In Unternehmen fehlen die Mitarbeiter deutlich länger und es ist schwieriger, sie durch Wiedereingliederung nach Krankheit ins Berufsleben zurückzuführen.
Aber auch weniger langwierige Arbeitsausfälle wegen Krankheit stellen die Arbeitgeber vor organisatorische und personalpolitische Herausforderungen. Mit dem § 197 SGB IX wurde gesetzlich festgelegt, dass der Arbeitgeber seinen Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten muss. Nicht anbieten muss der Arbeitgeber die Wiedereingliederung zur Rückführung in die Arbeitsfähigkeit, auch „Hamburger Modell" genannt.
Durch das BEM soll geklärt werden, ob das Risiko erneuter gesundheitsbedingter Ausfälle durch entsprechende Maßnahmen rund um den Arbeitsplatz minimiert werden kann. Es ist ergebnisoffen und kann, wenn nötig, in die stufenweise Wiedereingliederung übergehen. Obwohl der Arbeitgeber ein BEM anbieten muss, lässt ihm der § 167 SGB IX in der Ausführung individuellen Spielraum.
Hier ist das Ziel, den im Krankengeldbezug befindlichen Mitarbeiter stufenweise an seinen Arbeitsplatz zurückzuführen und seine Gesundheit zu stabilisieren. An der Maßnahme nach dem „Hamburger Modell“ können privat Krankenversicherte nicht teilnehmen. Sie erhalten während dieser Zeit kein Krankentagegeld, weshalb für sie lediglich das BEM in Frage kommt.
In diesem Artikel werden beide Wiedereingliederungsmöglichkeiten eingehend dargestellt, mit dem entsprechenden personalpolitischen und rechtlichen Hintergrund.
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Melden sich Mitarbeiter häufig krank, leiden darunter die Kollegen, da sie mit deren Arbeitspensum belastet werden. Das hat seine Grenzen und oftmals fallen dann wieder die durch zu hohe Krankenstände belasteten Mitarbeiter für eine Zeit lang aus und so kann ein Teufelskreis entstehen.
Sind die Kollegen durch häufigen Fehlzeiten nicht mehr tragbar, zieht das Unternehmen irgendwann die Reißleine und entscheidet sich für die personenbedingte Kündigung.
Versäumt der Arbeitgeber, seinem Mitarbeiter ein BEM anzubieten, wird er Probleme haben, die Kündigung wegen Krankheit zu rechtfertigen. Wahrscheinlich wird er bei einem Kündigungsschutzprozess beweisen müssen, dass auch ein BEM die Kündigung nicht verhindert hätte.
Denn das betriebliche Eingliederungsmanagement ist eine verpflichtende Maßnahme und soll für alle in Frage kommenden Beschäftigten angewandt werden. Es gilt als ein Instrument zur technischen und organisatorischen Umgestaltung des Arbeitsplatzes. Zum Beispiel durch Überprüfung der Sitzergonomie und entsprechender Abstimmung von Bürostuhl, Schreibtisch und Bildschirm oder durch die Alternativlösung eines leichteren Arbeitsfeldes. Damit kann dem Mitarbeiter der Arbeitsalltag bis zu einem gewissen Grad erträglicher gemacht und seine Arbeitskraft gefördert werden. Wichtig ist, dass die betreffende Person dem BEM zustimmt und sie ausreichend über das Vorhaben informiert wird. Außerdem muss der Datenschutz eingehalten werden. Im speziellen Fall sind die Unterlagen über das betriebliche Eingliederungsmanagement getrennt von den Personalunterlagen aufzubewahren.
Mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) wird aktiv etwas für die Gesundheit am Arbeitsplatz getan. Das BEM dient dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen. Voraussetzung ist, dass der Mitarbeiter sich schriftlich zu dieser Arbeitsplatz-Analyse bereit erklärt. Dann wird der Arbeitgeber überprüfen, welche geeigneten Betätigungsfelder für den Mitarbeiter im Betrieb gegeben sind. Er wird auch Hilfsmaßnahmen, wie gesundheitsfördernde Angebote oder Qualifizierungsmöglichkeiten, anbieten, um dessen Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Dies ganz besonders, wenn es sich um Fachkräfte handelt, für die es so schnell keinen Ersatz gibt. Außerdem können die Rehabilitationsträger und Integrationsämter Arbeitgebern, die ein BEM einführen, Prämien oder Boni zusagen.
Für den Arbeitnehmer bietet das BEM die Chance, weiterhin berufstätig bleiben zu können, wenn auch vielleicht nicht auf dem bisherigen Arbeitsplatz.
Im Ergebnis kann die betriebliche Wiedereingliederung nach Krankheit zur Steigerung der Leistungsfähigkeit und Stabilisierung der Gesundheit beitragen. Sollte bereits Arbeitslosigkeit drohen, wird diese meistens durch das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement verhindert.
Patienten mit einer längeren Leidensgeschichte - was vor allem bei psychisch erkrankten Mitarbeitern meist der Fall ist - haben oft nicht die Möglichkeit nach kurzer Krankheit wiederhergestellt am Berufsleben teilzunehmen. Ihre Widerstandskraft ist geschwächt, sie sind meist weniger belastbar und nicht in der Lage, ihren Wiedereinstieg ohne Unterstützung zu bewältigen.
Da gerade bei Menschen mit diesem Krankheitsbild die Gefahr groß ist, dass sie im Anschluss an die Krankheit arbeitslos oder arbeitsunfähig werden oder vielleicht eine für das Leben meist nicht ausreichende Erwerbsminderungsrente beziehen müssen, ist hier die Wiedereingliederung zur Rückführung in die Arbeitsfähigkeit besonders wichtig. Denn mit dem Erhalt ihres Arbeitsplatzes sind neben dem Einkommen und der wichtigen Strukturierung des Tagesablaufes auch in vielen Fällen die sozialen Kontakte gewährleistet. Diese geben den Betroffenen die nötige Sicherheit und Würde im gesellschaftlichen Leben. Verlieren Menschen diese Eckpfeiler ihrer Identität, können solche Schicksalsschläge schwerwiegende Folgen nach sich ziehen.
Damit es erst gar nicht so weit kommen muss, besteht die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber die Wiedereingliederung nach § 74 SGB V anbietet - bekannter als das „Hamburger Modell“.
Diese Art der Wiedereingliederung nach Krankheit hat das Ziel, den aktuell noch krankgeschriebenen Mitarbeiter stufenweise an seinen regulären Arbeitsbereich zu gewöhnen, sodass er dort wieder vollumfänglich tätig werden kann.
Als Leistung der medizinischen Rehabilitation kann die stufenweise Wiedereingliederung allen gesetzlich krankenversicherten Beschäftigten angeboten werden. Allerdings ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung der Maßnahme verpflichtet. Verpflichtet ist er lediglich zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM).
Bei dem „Hamburger Modell“ werden die täglich zu arbeitenden Stunden über einen festgelegten Ablaufplan langsam ausgeweitet bis hin zur regulären Arbeitszeit. Beispielsweise könnten in der ersten Woche zwei Stunden pro Tag gearbeitet werden und nach zwei Wochen vielleicht schon vier Stunden. Das kommt ganz auf die von ärztlicher Seite festgestellte Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters an und wird durch entsprechende Maßnahmen am Arbeitsplatz begleitet.
Das Ziel des „Hamburger Modells“ ist, die volle Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter wiederherzustellen. Die Maßnahme kann zwischen sechs Wochen und sechs Monaten dauern, aber auch auf bis zu zwölf Monate ausgeweitet werden.
Können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die stufenweise Wiedereingliederung verständigen, profitieren beide Seiten davon. Für den Arbeitgeber entfällt die Lohnzahlung und der Arbeitnehmer wird stufenweise, dem gesundheitlichen Vermögen entsprechend, an seinem vorhandenen Arbeitsplatz eingesetzt, mit der Aussicht auf berufliche Eingliederung.
Der vereinbarte Rahmenplan kann je nach Bedarf nachgebessert werden.
Da der Mitarbeiter während der Maßnahme noch als arbeitsunfähig krankgeschrieben ist und Lohnersatzleistungen erhält, handelt es sich bei der Wiedereingliederungsmaßnahme um ein Rechtsverhältnis eigener Art nach den §§ 241 und 311 BGB. Der Arbeitgeber hat weder die Pflicht den Mitarbeiter zu beschäftigen noch ihm ein Arbeitsentgelt zu zahlen. Während dieser Zeit besteht auch kein Urlaubsanspruch.
Für die Zahlung der Lohnersatzleistungen sind die jeweiligen Rehabilitationsträger zuständig. Dabei handelt es sich um die Krankenkassen, die Rentenversicherung und in speziellen Fällen auch die Berufsgenossenschaft sowie die Agentur für Arbeit. Die Krankenkassen zahlen grundsätzlich bis maximal 78 Wochen Krankengeld für dieselbe Krankheit innerhalb eines 3-Jahres-Zeitraums.
Wird die Wiedereingliederung erst im letzten Drittel der Krankengeldzahlung begonnen, hört die Leistung der Krankenkassen möglicherweise vor dem Ende der Maßnahme auf. Die gesetzliche Rentenversicherung zahlt hingegen bis zum Ende der stufenweisen Wiedereingliederung. Allerdings unter der Voraussetzung, dass die Maßnahme innerhalb von vier Wochen nach der Reha-Leistung beginnt und schon von der Rehabilitationseinrichtung in die Wege geleitet wurde. Außerdem fällt das Übergangsgeld der Rentenversicherung geringer aus als das Krankengeld der Krankenversicherung. Welche Zuschüsse eine betriebliche Krankenversicherung leisten kann, muss individuell betrachtet werden.
Möchte der Arbeitgeber neben dem Krankengeld- bzw. Übergangsgeldbezug eine Art Gehalt zahlen, kann es sein, dass dieser Betrag von dem Unterhaltsgeld der Sozialversicherungsträger abgezogen wird. Die Krankenkassen beispielsweise kürzen das Krankengeld exakt um den vom Arbeitgeber gezahlten Betrag.