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Das Hamburger Modell beschreibt eine stufenweise Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag nach einer längeren Pause, bedingt durch eine schwere Erkrankung oder eine langwierige Verletzung. Da das volle Leistungspensum oftmals noch nicht direkt erreicht werden kann, ist diese Maßnahme eine Erleichterung, um die Arbeitsstunden stufenweise wieder aufzubauen.
Um einen besseren Überblick zu erhalten und damit die Eingliederung erfolgreich gelingen kann, werden im Folgenden die Voraussetzungen, die Vorgehensweise und der Stufenplan selbst zur Rückkehr in den Beruf genauer erläutert.
1.Hamburger Modell: Definition
Beim längeren Ausfall ist das Hamburger Modell sinnvoll. Shutterstock.com / Gorodenkoff
Da es passieren kann, dass Mitarbeiter durch eine Erkrankung, Verletzung oder einen Unfall einige Wochen bis hin zu mehreren Monaten ihre Arbeit nicht mehr ausführen können, beziehungsweise lange immobil waren, ist der volle Arbeitsumfang oftmals nicht direkt wieder machbar. Von daher sieht die stufenweise Wiedereingliederung des Hamburger Modells vor, die Arbeitszeit vorübergehend zu reduzieren und nach einer festgelegten Zeitspanne wieder zu steigern. Um das ursprüngliche Leistungspensum wieder zu erlangen, wird der Mitarbeiter stundenweise in seine Arbeit eingeführt. Das Hamburger Modell ist Teil eines Rehabilitationsprozesses, um den Arbeitnehmer nach seiner langen Pause nicht zu überfordern.
Im fünften Sozialgesetzbuch (§74 SGB V) wird das Hamburger Modell als stufenweise Wiedereingliederung bezeichnet und wie folgt definiert:
„Können arbeitsunfähige Versicherte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten und können sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden, soll der Arzt auf der Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit Art und Umfang der möglichen Tätigkeiten angeben […]“
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2.Beantragung des Hamburger Modells
Die stufenweise Wiedereingliederung ist ein Programm, welches freiwillig ist und somit vom Arbeitnehmer beantragt werden muss. Da der Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet ist, bedarf das Hamburger Modell, anders als bei der betrieblichen Wiedereingliederung, der ausdrücklichen Zustimmung des Arbeitgebers.
Folgende Vorgehensweise ist bei der Beantragung empfehlenswert:
- Zunächst steht eine Abschätzung der aktuellen Situation im Vordergrund: Das Hamburger Modell ist dann sinnvoll, wenn die Prognose positiv ausfällt und die volle Einsatzfähigkeit absehbar ist.
- Im Gespräch mit dem behandelnden Arzt oder gegebenenfalls auch dem medizinischen Personal der Rehabilitation (zum Beispiel Sozialarbeiter) sollte Rat eingeholt werden, ob die stufenweise Wiedereingliederung in Bezug auf den aktuellen Gesundheitszustand in Frage kommt.
- Der behandelnde Arzt kann dann den schrittweisen Plan mit dem Patienten erstellen und orientiert sich an der aktuellen Belastbarkeit. Der weitere Genesungsweg wird in diese Planung mit einbezogen, um abschätzen zu können, in welchem Zeitraum die volle Belastungsfähigkeit erreicht werden könnte.
- Im Anschluss soll dem Arbeitgeber der Stufenplan vorgelegt werden, damit sowohl der Arbeitgeber als auch der Mitarbeiter diesem zustimmen und an der gemeinsamen Umsetzung arbeiten können. Diese Vereinbarung muss schriftlich getroffen werden.
- Erklärt sich der Arbeitgeber einverstanden und ist das Hamburger Modell im Betrieb durchführbar, muss der Antrag bei dem jeweils zuständigen Träger gestellt werden. Zu den Trägern zählt entweder
- die Krankenkasse, wenn Krankengeld bezogen wird
- die Rentenversicherung bei Übergangsgeld nach einer Reha-Maßnahme
- oder die Berufsgenossenschaft im Falle eines Arbeitsunfalls
Generell ist es von Vorteil, wenn ein stetiger Kontakt zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber besteht, damit sich keine Missverständnisse entwickeln können und die vollständige Einarbeitung erleichtert wird.
3.Regelung des Stufenplans
Beim Hamburger Modell wird man stufenweise eingegliedert. Shutterstock.com / goodluz
Das Hamburger Modell zeichnet sich durch den stufenweisen Eingliederungsplan aus, welcher in verschiedene Schritte unterteilt wird und auf die individuelle Situation des Arbeitnehmers angepasst wird. Außerdem sind die Vorgaben genau beschrieben, dazu zählen vor allem Beginn und Ende des Prozesses, die Inhalte der einzelnen Stufen, das Recht des Rücktritts der Parteien (Arbeitnehmer, -geber und Krankenkasse/BG/Rentenversicherung) und die möglichen Gründe sowie Vereinbarungen des Arbeitsvertrags bezüglich Aussetzen oder Ruhenlassen.
Es sollten Informationen im Stufenplan enthalten sein, die die Eingliederung des Arbeitnehmers planmäßig voranbringen. Dazu zählt vor allem auch die geplante Dauer der Maßnahme und wie diese mit der Dauer der prognostizierten Genesung einhergeht. Wichtig ist außerdem, welche Tätigkeiten der Mitarbeiter noch nicht ausführen sollte.
Es kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein, wie die Dauer des Hamburger Modells ausfällt. Je nach Verletzung oder Erkrankung kann der Eingliederungsprozess in wenigen Wochen abgeschlossen sein oder sich aber über mehrere Monate ziehen. Die stufenweise Wiedereingliederung erstreckt sich in der Regel über einen Zeitraum von sechs Wochen bis zu sechs Monaten.
Nach der Besprechung des Arbeitnehmers mit dem Arzt, ob das Hamburger Modell als Wiedereingliederung in Frage kommt, wird zwischen dem langsamen oder schnellen Modell entschieden. Der langsame Plan sieht vor, dass die Arbeitszeit in den ersten beiden Wochen vier Stunden pro Tag beträgt, von der dritten bis fünften Woche fünf Stunden, von der sechsten bis achten Woche sechs Arbeitsstunden und in der neunten Woche wieder acht Stunden, beziehungsweise die volle Arbeitszeit. Dabei handelt es sich in den ersten acht Wochen um eine 4-Tage-Woche.
Bei der schnelleren Variante handelt es sich um lediglich fünf Wochen Eingliederungszeit mit jeweils fünf Arbeitstagen. Die ersten beiden Wochen startet der Mitarbeiter auch mit 4 Stunden pro Tag, in der dritten Woche beträgt die Arbeitszeit fünf Stunden und in der vierten Woche sechs Stunden. Ab der fünften Woche wird die normale Arbeitszeit angestrebt.
4.Voraussetzungen für das Hamburger Modell
Jeder gesetzlich Versicherte kann dieses Modell beantragen. Shutterstock.com / Tibanna79
So gut wie jeder gesetzlich Krankenversicherte, der eine längerfristige Erkrankung oder Verletzung erleidet, kann diese Form der Wiedereingliederung beantragen. Für privat Versicherte und Beamte sind in bestimmten Fällen ähnliche Maßnahmen zugänglich, die über Regelungen zwischen der Krankenkasse, dem Arbeitnehmer und -geber getroffen werden müssen.
Nicht bei allen krankheitsbedingten Ausfällen kann das Hamburger Modell angewendet werden. Zum Beispiel ist die Maßnahme nicht bei einer kurzen Erkrankung oder einer Krankschreibung von drei Wochen möglich. Erst bei einer Arbeitsunfähigkeit von mindestens sechs Wochen kann über eine stufenweise Wiedereingliederung nachgedacht werden. Die ursächliche Erkrankung spielt dabei keine Rolle; so kommen beispielsweise sowohl Burnout als auch eine Verletzung durch einen Arbeitsunfall oder aber eine Krebserkrankung infrage.
Es ist erforderlich, dass der behandelnde Arzt die Belastbarkeit des Arbeitnehmers bescheinigt, welche ausreichend für die auszuführende Tätigkeit ist und die in naher Zukunft liegende vollständige Belastbarkeit als Ziel hat. Diese Methode soll der Erleichterung der Rückkehr in den Beruf dienen. Wird die Genesung eher negativ prognostiziert, kann das Hamburger Modell abgelehnt werden.
Da es passieren kann, dass der erneute Beginn der Tätigkeit noch zu anstrengend ist, gilt der Arbeitnehmer weiterhin als arbeitsunfähig, um den Fortschritt der Genesung nicht zu verzögern. Falls sich der Zustand des Mitarbeiters während der Maßnahme verschlechtern sollte, kann diese abgebrochen werden. Dadurch muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer sein Gehalt erst wieder bei voller Einsetzbarkeit zahlen. Verschlechtert sich der gesundheitliche Zustand des Mitarbeiters während der Eingliederung, kann er maximal sieben Tage unterbrechen. Auch das muss vorher in der Ausarbeitung des Plans festgehalten werden. Reichen sieben Tage nicht aus, wird das Hamburger Modell abgebrochen und gilt damit als gescheitert.
5.Finanzierung
Arbeitnehmern steht die volle Zahlung des Krankengeldes zu. Shutterstock.com / jeffy11390
Beim schrittweisen Herantasten an die Belastung der alten Tätigkeit nach längerer Arbeitsunfähigkeit, steht auch die Frage im Raum, wie die Finanzierung dieser Zeit erfolgt. Auch das ist im Hamburger Modell geregelt: Durch die Krankenkasse, Berufsgenossenschaft oder Rentenversicherung (je nach Fall) steht dem Arbeitnehmer die volle Zahlung des Krankengeldes zu.
Der Arbeitnehmer gilt daher in diesem Zeitraum weiterhin als arbeitsunfähig. Beginnt die stufenweise Wiedereingliederung im Zeitraum von vier Wochen nach einer medizinischen Rehabilitation, zahlt die Rentenversicherung ein sogenanntes Übergangsgeld. Während der Durchführung des Hamburger Modells kann der Arbeitnehmer keinen Urlaub nehmen, da weiterhin Arbeitsunfähigkeit besteht.
6.Hamburger Modell oder Betriebliche Wiedereingliederung
Es gibt auch andere Arten der Wiedereingliederung. Shutterstock.com / alphaspirit
Die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell ist eine Form des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Es gibt auch weitere Möglichkeiten, die Wiedereingliederung zu erleichtern, zum Beispiel die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die generelle Verlagerung der Arbeit in einen anderen Tätigkeitsbereich. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, eine Methode der betrieblichen Eingliederung anzubieten, muss jedoch das Hamburger Modell als Vorschlag des Arbeitnehmers nicht zwingend annehmen.
Erfahren Sie hier mehr über das Betriebliche Gesundheitsmanagement in Hamburg.