Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen: Verpflichtung, Durchführung, Dokumentation

Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz zählt in jedem Unternehmen zu den Pflichten des Arbeitgebers. Die Analyse muss sicherstellen, dass keine Gefahr für das seelische Wohl der Mitarbeiter besteht. Die Größe des Unternehmens spielt dabei keine Rolle.

1.Verpflichtung zur Gefährdungsbeurteilung

Seit dem 25.09.2013 gibt es ein Gesetz, welches Arbeitgeber dazu verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung bezüglich einer möglichen psychischen Belastung am Arbeitsplatz durchzuführen. Die genaue Definition findet sich im Arbeitsschutzgesetz wieder. Dabei spielt die konkrete Unternehmensgröße keine Rolle. Jeder Arbeitgeber muss diese Gefährdungsbeurteilung durchführen.

In der Verpflichtung des Arbeitsschutzgesetzes steht geschrieben, dass „die Arbeit [...] so zu gestalten [ist], dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird.” Es wird festgehalten, dass sich eine Gefährdung besonders durch psychische Belastungen ergeben kann.

Wichtig ist, dass bei der Gefährdungsbeurteilung nur Gefährdungen ermittelt werden und keine Gefahren. Hierbei handelt es sich demnach um mögliche Quellen, die einen Schaden oder auch eine gesundheitliche Beeinträchtigung verursachen können. Es gilt, diese im Vorfeld schon zu ermitteln und mittels geeigneter Maßnahmen zu beseitigen und so den Mitarbeiter bestmöglich zu schützen.

Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ist eine präventive Maßnahme sowie ein zielgerichtetes und wirkungsvolles Steuerungsinstrument zum Schutze der Arbeitnehmer und Beschäftigten. Die genaue Gestaltung der Befragung sowie die Vorschriften, die sich für den Arbeitgeber ergeben, sind nachfolgend aufgeführt.

2.Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Für die Durchführung kann der Arbeitgeber eigene Kriterien festlegen.                                  Shutterstock.com / VGstockstudio

Für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung kann der Arbeitgeber eigene Kriterien zugrunde legen und auch die Art der Durchführung selbst bestimmen. Insgesamt beziehen sich die Prüfkriterien auf den Bereich der Bildschirm- und Büroarbeitsplätze und deren Gestaltung, die Beurteilung von Gefahren für Gesundheit und Sicherheit sowie auf Bereiche wie Beleuchtung, Klima oder Lärm.

Daneben gilt es, die Arbeitsabläufe im Hinblick auf ein ausgewogenes Zusammenspiel von Technik, Arbeitsorganisationen, sozialen Beziehungen, Umwelteinflüssen und sonstigen Arbeitsbedingungen zu gestalten. Eine konkrete Gefährdung des Mitarbeiters durch die Arbeit zum Beispiel aufgrund mangelnder Qualifikation oder einer schlechten Gestaltung des Arbeitsplatzes ist zu ermitteln. Eine hilfreiche Leitlinie zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung stellen die GDA dar, die Gemeinsamen Deutschen Arbeitsstrategien.

Hierin sind auch die Mindestanforderungen an den Arbeitsschutz aufgeführt. Die konkrete Durchführung kann mittels unterschiedlicher Methoden geschehen. Dies kann je nach Branche sowie Art und Größe des Betriebes variieren. Die Kerninhalte zielen dabei auf die konkreten Arbeitsinhalte oder -aufgaben ab. Dazu zählen u.a. der Handlungsspielraum oder die Verantwortung, sowie weiter die Arbeitsorganisation, die Arbeitszeit und der Arbeitsablauf, die sozialen Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten, die Arbeitsumgebung bezüglich Arbeitsplatzmitteln oder physischen Faktoren und neue Arbeitsformen. Für manche Branchen gibt es noch weitergehenden Analysebedarf. Dies gilt beispielsweise für Jobcenter-Mitarbeiter, Polizisten oder Rettungsdienstmitarbeiter sowie Lehrer, Krankenhausangestellte oder Angestellte mit Kundenkontakt in serviceorientierten Betrieben.

3.Der konkrete Ablauf

Zuerst sollte man sich einen Überblick über die psychischen Erkrankungen schaffen.          Shutterstock.com / nullplus

Es ist sinnvoll, sich zuerst einmal einen Überblick über die psychischen Erkrankungen in deutschen Unternehmen zu verschaffen und anschließend eine Bestandsaufnahme durchzuführen. Hier wird wichtiges Basiswissen erworben, das die Beteiligten zu einer besseren Beurteilung befähigt und sensibilisiert. Die Wirkungszusammenhänge von Arbeit und Psyche werden analysiert.

Die notwendigen Informationen sind bei den Aufsichtsdiensten der Länder, den Unfallversicherungen, der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und -medizin sowie den Sozialpartnern erhältlich. Es kann sinnvoll sein, eine konkrete Schulung zu dem Thema anzubieten. Alle Beteiligten sollten die genauen Arbeitsabläufe und Strukturen des Unternehmens kennen.

Darüber hinaus können auch Fachkenntnisse von Vorteil sein. Dies kann die Kenntnis konkreter psychischer Belastungsfaktoren sein, das Wissen über die richtige Vorgehensweise der Beurteilung sowie Lösungen für eine korrekte Arbeitsplatzgestaltung. Die Kenntnisse aus diesen Bereichen können zum Beispiel Betriebsärzte, die Unfallversicherung, eine staatliche Aufsichtsbehörde oder die Fachkraft für Arbeitssicherheit vor Ort vermitteln. Ein Rahmenplan zum Ablauf sollte von vornherein feststehen.

Es werden im ersten Schritt die genauen Tätigkeitsbereiche festgelegt, die einer Beurteilung unterzogen werden sollen. Die Einteilung sollte insofern sinnvoll sein, dass sie nach Tätigkeiten oder auch nach Organisationsbereichen zusammengefasst werden können. Es können Tätigkeitsgruppen gesammelt betrachtet werden wie Pflegekräfte oder Busfahrer oder auch Organisationsbereiche mit der Unterscheidung zwischen Lager, Verwaltung oder Produktion. Hier können die Tätigkeitsbeschreibungen hilfreich sein, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu filtern.

Es wird nun die psychische Belastung ermittelt. Hierzu werden die unterschiedlichen Belastungsfaktoren herangezogen. Hierzu zählen übergreifend vor allem die Arbeitsintensität, Handlungsspielräume, Arbeitszeiten sowie die sozialen Beziehungen, die Ausgestaltung der Arbeitsumgebung und eine etwaige Lärmbelästigung. Mit der Bestandsaufnahme werden die relevanten Informationen zusammengetragen. Hier können auch Auswertungen über Fluktuationen, Beschwerden oder Krankenstände mit einfließen.

Eine konkrete Erfassung kann anschließend über eine schriftliche Mitarbeiterbefragung stattfinden sowie durch Beobachtung und moderierte Analyseworkshops. Die konkrete Mitarbeiterbefragung mittels Fragebögen erfolgt anonym. Die Arbeitnehmer haben ein Recht darauf gehört zu werden und Vorschläge zu unterbreiten, die ihren Schutz erhöhen würden. Auch eine Arbeitsplatzbegehung ist sinnvoll. Die Auswahl des richtigen Instruments bleibt grundsätzlich dem Arbeitgeber selbst überlassen.

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Nachdem alle Informationen zusammengetragen worden sind, folgt die Beurteilung der psychischen Belastung. Hieraus ergeben sich die eventuell notwendigen Maßnahmen. Die Beurteilung hat den Anspruch, sachlich begründet und nachvollziehbar zu sein. Hier können empirische Vergleichswerte hinzugezogen werden, sofern diese verfügbar sind. Die Beurteilung kann aber durchaus auch in Form von Workshops erfolgen.

Anschließend ergibt es sich, dass eventuell erforderliche Maßnahmen entwickelt und anschließend umgesetzt werden müssen. Auch diese müssen direkt aus den Ergebnissen abgeleitet werden können und nachvollziehbar sein. Die Grundsätze hierfür sind im § 4 ArbSchG niedergeschrieben. Hiernach muss die „Gefährdung möglichst gering gehalten“ sein, „Gefahren in ihrer Quelle“ unterbunden werden und „individuelle Schutzmaßnahmen nachrangig“ behandelt werden.

Die Maßnahmen sollen sich auf die Organisation, Prozesse, Strukturen und Tätigkeiten beziehen und nicht auf Verhaltensweisen der Arbeitnehmer. Oft sind die Maßnahmen übergreifend. Die Auswirkungen müssen daher im Gesamtkontext genau durchdacht werden. Die konkrete Umsetzung der Maßnahmen muss zeitnah geschehen. Bei mehreren Problemstellungen kann auch eine schrittweise Umsetzung angestrebt werden. Hier gilt es, Prioritäten zu setzen.

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Nach diesem Schritt folgt die Wirksamkeitskontrolle. Diese ergibt sich aus § 3 ArbSchG. Hierzu sollte zuvor eine angemessene Frist festgesetzt worden sein, um der Entwicklung ihren Raum zu geben. Die Maßnahmen sollten nun im besten Fall die Probleme so behoben haben, dass sie keine weitere Gefährdung mehr darstellen. Auch diese Kontrolle muss in allen Punkten nachvollziehbar sein. Die Kontrolle kann durch Befragungen umgesetzt werden. Auch hier bieten sich Workshops und kurze schriftliche Befragungen sowie Begehungen an. Waren die Maßnahmen nicht erfolgreich, so müssen neue Maßnahmen ausgearbeitet und eingeleitet werden.

Bevor es zur Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen kommt, ist noch die Aktualität der Gefährdungsbeurteilung Psyche zu berücksichtigen. Diese muss gegeben sein und ist in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Bei einer Änderung grundsätzlicher Gegebenheiten ist eine erneute Beurteilung nach § 3 Abs. 1 ArbSchG durchzuführen. Veränderung können sich zum Beispiel aus einer Umstrukturierung oder nach dem Anschaffen neuer Produktionsmittel ergeben sowie bei einer plötzlich auftretenden hohen Fluktuation, einem hohen Beschwerdeaufkommen oder gesundheitlichen Problemen, die den Rückschluss auf eine gefährdende Arbeitsumgebung zulassen sowie auch arbeitswissenschaftliche Neuerungen oder Schutzvorschriften.

4.Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung

Die GDA stellt einen Rahmen zur Dokumentation.                                                                        Shutterstock.com / elnur

Für die Dokumentation stellt die GDA den entsprechenden Rahmen. Die gesetzliche Verpflichtung zur Dokumentation ergibt sich im Übrigen aus § 6 ArbSchG. Die Mindestanforderung an die Dokumentation ist, dass sie erkennen lässt, dass eine angemessene Gefährdungsbeurteilung stattgefunden hat. Darüber hinaus sollten einige Punkte auf jeden Fall mit aufgenommen werden.

Hierzu gehören die Beurteilung der möglichen Gefährdungen, eine konkrete Festlegung der Maßnahmen, die den Arbeitsschutz verbessern sollen, inklusive einer festen Terminierung und Benennung der Verantwortlichen, die anschließende Durchführung der Maßnahmen sowie die letztendliche Überprüfung, ob die Maßnahmen erfolgreich waren. Die gesamte Dokumentation sollte das Datum der Erstellung tragen.

Eine bestimmte Art an Unterlagen ist im Übrigen nicht vorgesehen. So können die dokumentierten Daten sowohl in Papierform als auch elektronisch festgehalten werden. Insgesamt muss gewährleistet sein, dass die zusammengestellten Unterlagen von Nutzen sind und auch in der Praxis sinnvoll genutzt werden können.

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